20 Jahre ist es her, seit der «Herr der Ringe» in die Kinos kam und viele Rekorde purzeln liess. Der Erfolg der Trilogie war aber keineswegs garantiert, sondern das ganze Projekt stand mehrfach auf der Kippe – eine Reportage des Funkenfluges.
(Meta) Mittelerde, Colcalad (Deadline).
New Line Cinema mit Bob Shaye nahm nie ein finanzielles Risiko für Filme, mit Ausnahme bei der «Herr der Ringe»-Trilogie. Sie waren keine besondere Adresse für Filme. Jedoch sprengten die drei Filme mit je einem 120-Millionen-Dollar-Budget alles Dagewesene und räumten mit 17 Oskars und 30 Nominierungen alles ab. Die Filme spielten insgesamt 3 Milliarden US-Dollar ein.
Diese Skepsis wurde 2001 weitgehend überwunden, als in Cannes bei den Festspielen New Line und Peter Jackson ein Schloss in Mittelerde verwandelten. Das zwei Millionen Projekt nur für Cannes war ein grosses Risiko und eine Summe, wie sie fast nie in Cannes für Marketing investiert wurde. Jackson wagte sich mit einer aufwändigen Umgestaltung und nur 26 Minuten Vorschau Monate vor der Fertigstellung des ersten Films wahrlich auf die Äste. Ein Desaster, das in die Geschichte eingehen könnte, war durchaus möglich.
Doch Jacksons Team und New Line gelang der Überzeugungsakt. Schon viel früher zeigte er, dass er nicht einfach eine Arbeit ausführte, sondern ein Lebensprojekt mit Herzblut und Überzeugung von der ersten Sekunde an. Die erste Unternehmung Miramax wurde von Disney fallen gelassen. Die Beteiligung von Harvey und Bob Weinstein wurden zur Hypothek und fast zur Falle. Nur New Line hielt zu Jackson und überraschte mit der Entscheidung nicht zwei, sondern drei Filme produzieren zu wollen.
Zu erstaunen vermochte auch Ken Kamins, langjähriger Agent Jacksons. Er sagte über ihn:
Da war ein bürgerlicher und nationaler Stolz, dass er das [die Filme] verzweifelt für Neuseeland wollte. Als ich Peter zum ersten Mal in Neuseeland besuchte, zeigte er mir einen James Bond-Film. Ich weiss nicht mehr welchen, aber da war ein Ausschnitt mit einer Glaskarte der Welt. Peter stoppte und sagte: «Was siehst Du?» Ich sagte: «Ich bin mir nicht sicher was ich sehe.» Er zeigte über Australien und sagte: «Schau! Neuseeland ist nicht auf der Karte eingezeichnet.» Dann schaute er mich tot in die Augen und sagte: «Aber es wird dort sein!»
Es gab grosse Herausforderungen zu überwinden, die sehr teuer waren und das Ende des Projektes hätten sein können: Die Grössenunterschiede der Rassen und die grosse Anzahl an Personen für Schlachten und Belagerungen und ähnliches. Jackson schlug zwei Sachen vor, die bis anhin noch unbekannt waren: Die forcierte Perspektive und einen Algorithmus in einer Software für grosse Mengen.
Jacksons Budget zu diesem Zeitpunkt war 60 Millionen pro Film – eine Schätzung. Bis dahin hatte er Filme für 60’000 oder 75’000 Dollar gedreht und nun für mehr als 300 Millionen. Auch die Anforderungen ans Casting und die Gegend in Neuseeland waren immens. Schliesslich entschied Jackson die Filme in einem Dreh zu drehen, damit die Schauspieler nicht zu unterschiedlich waren von Film zu Film und die Bauten, Strassen usw. nicht zu lange benutzt werden mussten. Auch mussten alle drei Filme zusammen verkauft werden wegen dem Risiko. Solche Geschäfte wurden noch nie in diesem Masse getätigt mit einem hohen Risiko für ein Desaster.
Jackson erinnert sich an eine Szene, als New Line sehr erbost war über die Budgetüberschreitung:
Ich war auf der Brüstungsmauer, vermutlich mit Viggo Mortensen, und sehe Barrie [Osborne, der Produzent]. Es hat ihn 30 Minuten gekostet schnaufend und pustend zu uns hochzukommen und hörte derweil nicht auf zu drehen. Barrie kam zu uns und sagte: «Ich habe das Studio, ich muss Dich mit Michael Lynne von New Line verbinden.» Ich fragte ihn warum. Er sagte: «Oh, er wird Dich bedrohen und Dich anklagen und Dein Haus unter Dir verkaufen, um die Kostenüberschreitung abzumildern.» Barrie war nur der Bote, aber es war ein Punkt, der mich wirklich ausrasten liess. Ich sagte: «Sag Michel Lynne nur, dass diesen […] Film drehe und ich die bestmögliche Arbeit mache, die ich kann – deshalb werde ich meinen Tag nicht unterbrechen für ein solches Telefongespräch.» Barrie nahm sein Handy, ging zum Auto und fuhr davon.
Nicht zu sprechen von der unglaublichen Tatsache, dass New Lines Chef mit Jackson im Bad weinte vor Angst oder dem freudvollen Kuss auf den Mund von Jackson mit einem strahlenden Lachen eines Investors nach den ersten Bildern in Cannes. Auch die Schauspieler waren überwältigt nach jahrelangem Drehen vor grünen Hintergründen und Reagieren mit Tennisbällen, als sie zum ersten Mal Teile des fertigen Films sahen.
Sean Astin, welcher Samweis Gamdschie spielt, hatte die Beobachtung und Befürchtung, dass die Marketingabteilung in Cannes völlig über das Ziel schoss und aus Mittelerde, wie sie es gedreht hatten, ein «Monsterfilm» machten.
Ich erinnere mich, wie wir alle den Mut verloren und dachte: «Oh nein, vielleicht erwartet das Studio oder die Marketingleute etwas anderes als wir dachten erschaffen zu haben.» Nach Cannes haben sie es richtig hinbekommen. Die Poster mit Elijah, wie seine Hand den grossen Ring ergriff, an allen Busstationen.
Angesprochen auf das hohe Risiko und das Budget von 460 Millionen US-Dollar für alleine die erste Serie von Amazon, sagte Sahye bloss, dass er froh sei, nicht wieder in dieser Position stehen zu müssen. Er wünsche Amazon nur das Beste und zweifle nie mehr an Tolkiens Mittelerde.
Titelbild: Die Mühle und Brücke in Hobbingen, aufgebaut in Neuseeland
