Einen Funken Hoffnung, eine rettende Hand, eine wärmende Umgebung und ein helles Licht in der Dunkelheit. Gaerit (und Saefira) hat eine Geschichte über eine Katze im Sturm geschrieben und dabei in den Augen der Jury nicht nur die Katze mit ihrem Schicksal beschrieben. Sie kann auch als Metapher verstanden werden: Gutes tun, obwohl man selber vielleicht auch betroffen ist.
Mereden, Colcalad (Gaerit).
Die Geschichte zeigt auch in die Zukunft und bietet Trost und Hoffnung, sie würde sich auch deshalb als Kindergeschichte eignen. Sie zeigt auch wie sich Barmherzigkeit anfühlt. Der Funkenflug dokumentiert diese Geschichte ungekürzt:
Ein kleines Licht
Schon seit vielen Stunden ging der Regen prasselnd hernieder und immer mehr der eisigen Feuchtigkeit gelangte auch in die Erdmulde unter dem dicken Wurzelgeflecht. Zitternd presste sich der kleine Kater dort noch dichter an den Stamm, während sich auf dem Boden um ihn immer größere Pfützen bildeten.
Sein Fell war bereits völlig durchnässt gewesen, bevor er dieses Plätzchen gefunden und darunter Schutz vor den dicken Tropfen gesucht hatte. Er war die ganze Nacht gelaufen und erschöpft. Der Sturm heulte und bog selbst die mächtigen Äste weit über ihm, dass das Holz knackte und gelegentlich ein wahrer Schauer an harten Nüssen heruntergestürzt kam.
Der Kater hatte Hunger, doch bei diesem Wetter hatte alles, was konnte, Schutz gesucht. Er hatte selbst an den Nüssen geschnuppert, die bis in die Mulde gerollt waren, doch schnell bemerkt, dass diese nichts für ihn waren. Und so leckte er über sein struppiges triefendes Fell und rollte sich noch enger zusammen im Versuch etwas Wärme zu finden.
Der Sommer war vorbei und der Herbst war dieses Jahr früh und mit viel Regen und Stürmen gekommen. Für den jungen Kater, der in der Zeit der warmen Sonne auf dem Fell und einem reichen Angebot von Mäusen und anderen Beutetieren geboren worden war, war es der erste Wechsel der Jahreszeiten. Und auch wenn ihm dies nicht bekannt war, bemerkte er doch die Veränderungen um ihn herum.
Beute gab es noch, für den, der sie zu fangen wusste. Und da stellte er sich noch reichlich unbeholfen an. Die Zeit des gemeinsamen Spielens mit den Geschwistern, der Jagd mit der Mutter war zu kurz gewesen. Eines Tages waren sie weg gewesen und er alleine, der kleinste des Wurfes. Lange hatte er nach ihnen gerufen und gesucht, doch vergebens.
Seine Suche hatte ihn schließlich in den Wald geführt, doch die Jäger des Waldes verteidigten ihre Reviere und mehr als einmal hatte er selbst die Flucht ergriffen, die mühsam erjagte Beute oder trockene Höhle zurücklassend. Bis er schließlich hier angekommen war. Wo immer hier war…
Der dichte Regenschleier verhinderte die Sicht auf mehr als den unmittelbaren Bereich vor seiner Nase, die er gelegentlich aus dem Fell emporhob, um ein klägliches und verlorenes Jammern auszustoßen.
„…“ „Da ist nichts!“ „Und ich sage, ich habe etwas gehört!“
Die zwei Stimmen drangen undeutlich aus dem Grau hervor. Die eine etwas tiefer, die andere sehr leise und ihr folgte ein kratzender Husten. Weitere unverständliche Laute folgten. Ein dunklerer Schemen hob sich nur etwas von den Regenschlieren ab, als er offenbar näherkam. Der Kater drückte sich noch tiefer in die Mulde. Er hatte solche Laute noch nie bei einem Tier in Feld und Wald gehört. Waren das etwa Zweibeiner, vor denen seine Mutter immer gewarnt hatte?
„Du gehst rein, ich seh‘ ja schon nach!“
Die tiefere Stimme kam näher und aus dem Schemen wurde eine riesige Gestalt, die sich über die Mulde beugte. Dem Kater entfuhr ein klägliches Fauchen vor Schreck und er versuchte sich noch kleiner zu machen.
„Saefi hatte Recht… Alles gut, Kleiner. Ich tu‘ dir nichts. Da unten wirste bald absaufen, wenn das so weiter gießt.“
Zweige und Laub raschelten und die Bewegungen der Gestalt machten schmatzende Geräusche im Schlamm, als sie sich niederkniete.
„Komm‘, Kleiner. Drinnen ist es zumindest etwas trockener und du bist nicht allein…“
Eine schier riesige Hand angelte nach dem Katerchen und eher dieser sich versah, fühlte er in die Höhe gehoben und rasch gegen ein raues Material gepresst, durch das der Nässe zum Trotz etwas Wärme eines Körpers zu ihm drang. Der Boden schwankte unter ihnen, als die Gestalt sich erhob, umdrehte und mit schnellen Schritten weiter eilte.
Der Kater verharrte stocksteif im festen Griff, an den Oberkörper der Gestalt gedrückt. Er hätte beißen, kratzen, fliehen sollen, doch er war müde und verängstigt und das bisschen Wärme so verlockend. Vor ihnen tauchte eine heruntergekommene Hütte auf, deren windschiefe Wände schon bessere Tage gesehen hatten. Der Kater wurde etwas durchgeschüttelt, als die Gestalt mit ihm rasch ein paar Stufen emporstieg und etwas unbeholfen die knarrend protestierende Tür auf und hinter ihnen wieder zuschob.
Noch immer reglos vor Schreck blickte der Kater von seiner erhöhten Position in das Halbdunkel dahinter. Ein Eindruck von ‚Falle‘ und ‚Höhle‘ zugleich beschlich ihn. Über ihnen klang das Geräusch des Regens auf dem Dach ebenso ungewohnt wie die Schritte der Gestalt, die ihn weiterhin hielt.
Die Vielzahl von Eindrücken überwältigte ihn schier, als er ein Stückchen weitergetragen wurde, hinüber zu der Stelle, wo eine kleine Kerze etwas Helligkeit und Wärme verbreitete. Unbekannte Gerüche der Umgebung, der Gestalten, des Feuers, des Wachses der Kerze. Die zweite Gestalt saß dort neben dem kleinen Licht, zwei Schalen vor sich. Sie hielt seinem Träger etwas entgegen.
Kurz darauf fand sich der Kater in das Etwas gewickelt und die Gestalt, die ihn hielt, begann, ihn mit sachten Bewegungen damit abzureiben.
„So ist gut, Kleiner, nur noch ein bisschen, sonst überschwemmst du uns ja alles hier, du bist ja eine richtig nasse Wasserratte…“
Die Stimme, so ungewohnt sie für den Kater auch war, hatte einen angenehmen fast monotonen Klang. Und ihm wurde etwas wärmer bei den regelmäßigen Bewegungen der Gestalt, die ihn schließlich auf einem fadenscheinigen Teppich absetzte und zurücktrat, um sich selbst ebenso abzureiben.
Unschlüssig hockte der kleine Kater da und beobachtete die beiden Gestalten. Die kleinere der beiden hatte sich nicht von ihrem Platz wegbewegt, während die andere schnell dazu überging, die Schlammspuren und Pfützen von ihrem Eintreten grob zu beseitigen. Ein aufforderndes Maunzen ließ den Kater zusammenzucken. Eine schlanke Artgenossin mit orangem Fell hockte am Rande des Lichtscheins und ließ ihn nicht aus dem Blick ihrer funkelnden grünen Augen. Schüchtern kauerte sich der Kater zusammen. Langsam erhob sich die Katze und kam näher, um ihn sorgfältig von vorne bis hinten zu beschnuppern.
Bevor der Kater sich hätte entscheiden können, wie er sich verhalten sollte, fuhr schon die raue Zunge der Katze über sein struppiges braunes Fell, das inzwischen wild nach allen Seiten abstand. Energisch machte sich die Katzendame im Licht der Kerze daran, den Kleinen gründlich zu putzen, jeglichen potentiellen und bestenfalls halbherzigen Widerstand ignorierend…
Draußen heulte noch immer der Sturm. Und auch, wenn der Morgen langsam dämmern mochte, war in der Hütte davon nicht zu merken. Fenster und Tür waren so gut es ging gegen Wind und Regen verschlossen worden und ließen nur durch wenige Ritzen etwas Helligkeit hinein. Einzig die kleine Kerze spendete noch etwas Licht, als der Kater sich schließlich daran machte, seine Umgebung etwas zu erkunden.
Die Zweibeiner hatten sich auf einem knarrenden Holzgestell unter einer Decke zusammengerollt und bis auf gelegentliches Husten vernahm er nur noch ihre Atemzüge. Am Boden stand die Schüssel, die sie den Katzen hingestellt hatten. Er schnupperte daran. Die orangene Katze hatte davon gefressen und ein grauer Kater mit verletztem Bein ebenso, bevor er wieder davon gestakst war. Eine weiß-schwarze Katze hatte sich lieber der fetten Maus gewidmet, die sie angeschleppt hatte, scharf beobachtet von einer grauen Artgenossin, welche sie ihr immer wieder abgejagt hatte, bevor schließlich beide davon gefressen hatten.
Alle hatten das Katerchen nicht weiter beachtet, solange er sich von ihrem Essen und ihrer Beute fernhielt. Jetzt lagen sie eingerollt auf zerschlissenen Decken, Kissen und einem wackelnden Schrank, von dem aus man leicht auf ein Fensterbrett springen konnte. Und jetzt endlich traute sich der kleine Kater von dem Teppich weg, wo die Orangene ihn geputzt hatte. Hin zu der Schüssel. Ungewohnt roch es, doch er hatte Hunger und so schleckte er die letzten Reste aus.
Er schnupperte in Richtung Kerze. Die flackernde Flamme ließ ihn Abstand halten und sie nur neugierig aus etwas Entfernung betrachten. Er spürte die Wärme, die von dort ausging. Mit zögernden Schritten wanderte er weiter zu einem Topf mit einer üppigen Pflanze. Sie roch nicht schlecht und er strich ein paarmal unschlüssig um den Topf herum und knabberte etwas an den Blättern, bevor ihn die wieder erwachte Neugier weitertrieb.
Vorsichtig pirschte er sich an das Gestell heran, wo die Zweibeiner lagen, und blickte hoch. Ein Kratzen ließ ihn kurz in die Dunkelheit unter dem Bett spähen, bevor er sich wieder zurückzog. Die Orangene schlief ein paar Meter weiter auf einem löcherigen Kissen. Doch noch traute er sich nicht hin zu ihr. Oder zu den anderen.
Und so rollte er sich schließlich in der Nähe der Kerze auf dem Boden zusammen… Vielleicht sah die Zukunft ja nicht mehr ganz so trostlos aus…
Gaerit + Saefira
und jede Menge Katzen
Adresse: Breeland-Siedlung Steinhorst, Breitfurtstraße 1 (Server Belegaer)
Kernpunkte des Wettbewerbes: Holunder-Arrangement kombiniert mit Katzen
Bewertung der Jury:
Colcalad schrieb über den Beitrag von Gaerit:
Die Geschichte Gaerits handelt von einer Katze und einem Sturm. Aus der Sicht der Katze wurde einfühlsam und minutiös eine Szene aus dem Alltag beschrieben, die für die Katze alles andere als Alltag darstellte. Aufwändig hat Gaerit die Figuren eingeführt und durch die ganze Szene geführt. Viele Bilder schmücken die Wettbewerbseingabe und runden die feinfühligen, aufwändigen und gut beschriebenen Handlungen ab.
Die Grundlage der Einschätzung durch die Jury hat der Funkenflug in einem eigenen Beitrag dargelegt. Die Mittelwerte der Bewertung durch die Jury lauten (Skala 1-10):
Originalität-Idee
8.4
Kreativität-Aufwand
8.8
Qualität der Eingabe
8.9
Medienwahl
8.7
Persönlicher Eindruck der Jurymitglieder
8.7
Gesamtbewertung – Rang 2:
8.67
Herzlichen Dank an Gaerit für die Eingabe zum Handwerksfunken 2022. Die Preise wird Colcalad überreichen. Alles Gute und bis zum nächsten Jahr.
Titelbild: © Gaerit