«Was ist denn das?» dachte ich, als ich das Bild von Taras Susak in der Bibliothek Saphadzîr von Dol Amroth hängen sah. Ein Mädchen? Eine der Maiar? Auf meiner Visite in Gondor wurde ich vor ganz neue Tatsachen gestellt.
Dol Amroth, Cynmaru.
Als ich vor Wochen bei strahlendem Sonnenschein mit Faina in Buckelstadt war, hörten wir von einer alten Legende: Einer der Tuks habe in alter Vorzeit eine Fee geheiratet. Als wir in Buckelstadt weiter danach fragten, hörten wir aber auch die spöttische Antwort auf diese Legende, dass dieser Tuk wohl eher einen Ork geheiratet habe. Mehr war aber nicht zu erfahren an diesem schönen Tag mit Faina.
Wach auf! (C) Taras Susak
In Dol Amroth fragte ich nach Feen, worauf mir in der Bibliothek einige wenige Notizen gezeigt wurden und dieses Bild. In den Notizen heisst es, dass Feen eine besondere Art von Geisterwesen seien. Sie stünden in Verbindung mit der Valie Yavanna: die Feen der Felder, Täler und Berge.
Zum Bild erklärte mir der Bibliothekar nicht viel. Es stamme von einem Maler mit Namen Taras Susak und sei schon älter. Eine genaue Jahreszahl findet sich nicht. Auf der Leinwand ist hinten schwach zu lesen «Wach auf!» Ich bedankte mich beim Bibliothekar und setzte mich vor das Bild und liess es auf mich wirken.
«Steh auf!» «Wach auf!» Eine leichte und unerklärliche Unruhe befiel mich, obwohl die Fee so friedlich und entspannt wirkte auf den ersten Blick. Die Teichrosenblätter auch, auf denen sie zu liegen scheint – die Marienkäfer, die so ruhig dem Bild eine königliche Note verleihen. Da war das Klammern an das Schwert zu sehen und in meinen Gedanken schoss «Gefahr» – «ist die Fee in Gefahr?» durch den Kopf. «Wach auf!» Warum?
So wie sie das Schwert umschliesst, ist die Fee wohl vor Erschöpfung eingeschlafen. Ein wichtiger Auftrag könnte dahinterstecken: sie muss das Schwert bewachen oder jemanden bringen. Vielleicht ist sie auf der Flucht vor jemandem oder vor einer drohenden Gefahr. Möglich, dass sie das Schwert stibitzt hat, um ihr Dorf oder ihren Wald zu schützen. Oder das Schwert wurde der Fee gegeben, damit es das Schwert hütet und in Sicherheit bringt. Aber so wie sie den Schwertgriff umschliesst, festhält, auch im Schlaf, denke ich eher, dass es darauf aufpasst.
Sie wirkt so zart und sanft, verletzlich auch. Der umfassende Friede des Schlafes, verdient oder erzwungen, steht irgendwie im Gegensatz zum Klammern des Schwertes. Der Schlaf umfasst die Fee, welche das Schwert umfasst – oder anders: Der Friede umfasst die Gefahr. Auch um die Fee herum finden sich gegen aussen diese beiden Schichten: Die friedlichen Teichrosenblätter mit den Marienkäfern und darum die Wurzeln oder Dornenäste.
Eine weitere Überlegung kommt mir in den Sinn, die mich eher wieder etwas Ruhe finden lässt. Wenn mit dem Schwert nur Angriff, Blut oder Verderben verbunden würde, dann wäre da ja Ekel und die Fee würde es einfach verschwinden lassen – oder verstecken.
«Wach auf!» «Sei wachsam, kleine Fee!» Das Bild lässt mich nicht mehr los, obwohl ich wieder auf meinem Pferd sitze und heimwärts reite.
Titelbild: «Wach auf» von © Taras Susak
